Die Trachealkanülenauswahl ist ein komplexer und individueller Prozess, der für die erfolgreiche Versorgung von Patienten mit einer Tracheotomie oder Laryngektomie entscheidend ist. Die Vielzahl an verfügbaren Trachealkanülen kann jedoch schnell überwältigend wirken.
Ziel dieses Blogbeitrags ist es, eine Orientierungshilfe zu bieten, um den Durchblick im „Trachealkanülen-Dschungel“ zu behalten und die richtige Kanüle für Ihren Patienten zu finden.
Trachealkanülen kommen bei verschiedenen Patientengruppen nach einer Laryngektomie oder einer Tracheotomie zum Einsatz. Eine Laryngektomie ist die vollständige Entfernung des Kehlkopfes, während bei einer Tracheotomie lediglich ein Zugang zur Luftröhre geschaffen wird und der Kehlkopf erhalten bleibt. Beide Eingriffe erfordern das Anlegen eines Tracheostomas, über das die Patienten fortan atmen. Die richtige Trachealkanülenauswahl ist bei der Versorgung dieser Patienten essenziell, um die Atmung sicherzustellen.
Durch eine Tracheotomie werden Stenosen/Verengungen der oberen und/oder unteren Atemwegen umgangen und so ein guter, ungehinderter Luftfluss sichergestellt. Eine Tracheotomie ersetzt außerdem nach ca. sieben Tagen eine Intubation, da eine Langzeitintubation die Gefahr einer Postextubationsdysphagie (PED) birgt.1
Bei Patienten mit Dysphagien, die unter schwerer Speichelaspiration leiden, beispielsweise aufgrund von neurologischen oder neuromuskulären Erkrankungen oder eines Schlaganfalls, wird oftmals eine Tracheotomie durchgeführt, um die tiefen Atemwege vor dem Aspirat zu schützen und somit die Gefahr einer Pneumonie zu verringern.
Auch bei Patientengruppen mit chronischen Atemwegserkrankungen, wie zum Beispiel COPD, die eine erhöhte Sekretproduktion und Schwierigkeiten mit der Sekretmobilisation haben, kann eine Tracheotomie hilfreich sein.
Durch das Tracheostoma wird eine Inhalationstherapie, die Verwendung des Hustenassistenten und das endotracheale Absaugen möglich.
Die Wahl des richtigen Kanülenmaterials und -designs spielt eine maßgebliche Rolle in der Trachealkanülenauswahl und ist für den Tragekomfort und den Therapieerfolg entscheidend. All diese Merkmale sollten immer im interdisziplinären Team besprochen werden.
Kunststoffkanülen (zum Beispiel aus Silikon, Polyurethan oder PVC) sind häufig thermoplastisch und passen sich durch Körperwärme der Anatomie des Patienten an. Silberkanülen haben eine antibakterielle Wirkung, sind wiederverwendbar und zeichnen sich durch eine dünne Wandstärken aus, was den Luftfluss optimiert. Sie sind jedoch steifer und können bei anatomischen Besonderheiten zu Druckstellen führen.
Zylindrische Kanülen sind die am häufigsten verwendete Trachealkanülenform, da sie sich gut an die meisten Anatomien anpassen. Konische Trachealkanülen werden seltener verwendet. Sie verengen sich zur Spitze hin und sind ideal für Patienten mit einem großen Tracheostoma, da sie dort eine bessere Abdichtung bieten.
Die Wahl des Biegungswinkels hängt von der individuellen Anatomie des Patienten und auch dessen Mobilität ab. Hier einige Beispiele für unterschiedliche Biegungswinkel und Beispiele aus unserem Trachealkanülenportfolio:
Der 90° Biegungswinkel wird häufig verwendet, wenn der Hals des Patienten eine eher gerade anatomische Struktur aufweist und somit eine direkte Führung in die Trachea möglich ist. Gerne wird dieser Biegungswinkel bei verhältnismäßig mobilen Patienten eingesetzt.
Ein gutes Beispiel für Trachealkanülen mit einem 90° Biegungswinkel sind die Tracoe Comfort Trachealkanülen.
Ein Biegungswinkel von 100° eignet sich für Patienten mit etwas längerer oder tiefer liegender Trachea oder bei größerem Abstand zwischen der Hautoberfläche und der Trachea.
Ein gutes Beispiel für Trachealkanülen mit einem 100° Biegungswinkel sind die Tracoe Comfort Plus Trachealkanülen.
Den steile 120°-Biegungswinkel nutzt man, wenn die Trachea tiefer oder in einer stark geneigten Position liegt, wie es oft bei komplexeren anatomischen Strukturen der Fall ist. Diese Kanülen eignen sich für Patienten mit besonderen anatomischen Herausforderungen, wie zum Beispiel bei Adipositas, Halsdeformitäten oder postoperativen Veränderungen.
Auch die richtige Trachealkanülenlänge hängt von der Anatomie des Patienten ab. Hier gibt es kein standardisiertes Vorgehen, lediglich Richtwerte. Standardkanülen (60–80 mm) sind für die meisten Erwachsenen geeignet, während kürzere Kanülen (<60 mm) bei Kindern verwendet werden. Lange Kanülen (>80 mm) kommen bei Patienten mit tief liegender Trachea oder anatomischen Besonderheiten, wie zum Beispiel bei Adipositas, zum Einsatz.
Der Durchmesser der Trachealkanüle beeinflusst den Luftfluss und sollte auf die Größe der Trachea und den Atembedarf des Patienten abgestimmt werden. Ein größerer Innendurchmesser (ID) ermöglicht eine bessere Belüftung, während der äußere Durchmesser (OD) klein genug sein muss, um die Trachea nicht zu reizen oder zu verletzen.
Der Cuff sorgt im geblockten Zustand für eine Abdichtung des Raums zwischen Kanüle und Trachealwand. Deshalb werden gecuffte Trachealkanülen bei Beatmung und massiver Sekretaspiration eingesetzt. Bei jedem neu angelegten Tracheostoma wird zunächst ebenfalls eine Trachealkanüle mit Cuff verwendet.
Die hier abgebildete Tracoe Vario dient als Beispiel für eine gecuffte Trachealkanüle aus unserem Produktportfolio.
Achtung: Auch bei korrekter Blockung kann Speichel, besonders wenn er dünnflüssig ist, in die tiefen Atemwege gelangen und dort im schlimmsten Fall eine Pneumonie verursachen. Der Cuff ist also kein vollständiger Aspirationsschutz.2
Diese Trachealkanülen verfügen über einen zusätzlichen Kanal zur Absaugung von Sekret, das sich oberhalb des geblockten Cuffs ansammelt. Besonders bei Patienten mit Dysphagie, die unter mit massiver Speichelaspiration leiden, ist diese Funktion hilfreich, um die Aspirations- und Pneumoniegefahr zu reduzieren.3
Des Weiteren kann über die subglottische Absaugung die Above Cuff Vocalization/Ventilation (ACV) durchgeführt werden, wenn etwas gegen die Umleitung der Luft durch die Entblockung und die Verwendung des Sprechventils spricht.
Über den subglottischen Absaugschlauch werden (bei geblockter Kanüle) 3–6 l Luft (meist O2) gegeben. So wird ein subglottischer Anblasedruck erzeugt, durch welche Phonation/Ventilation über den Larynx und die oberen Atemwege möglich wird.
Die Above Cuff Vocalization ist eine hervorragende Lösung, um dem beatmeten Patienten bei geblockter Trachealkanüle das Sprechen zu ermöglichen.
Durch ihr weiches Material sind diese Trachealkanülen sehr flexibel und können sich dadurch gut an die individuelle Anatomie der Patienten und deren Bewegungen anpassen. Durch die Spiralverstärkung, meist aus Metall, weisen sie gleichzeitig eine Formstabilität auf.
Achtung: Trachealkanülen mit Spiralverstärkung aus Metall sind nicht MRT-fähig und sollten auch bei Patienten, die eine Strahlentherapie benötigen, nicht verwendet werden.
Fenestrierte Trachealkanülen können, insbesondere zur Unterstützung der Sprachfähigkeit, nützlich sein.4 Sie erfordern jedoch eine sorgfältige Überwachung und Handhabung, um Komplikationen zu vermeiden. Meist gibt es sie mit einer gesiebten Außenkanüle, einer gefensterten Innenkanüle und einer geschlossenen Innenkanüle.
Die Auswahl der idealen Trachealkanüle ist essenziell für den Therapieerfolg bei Patienten mit einer Tracheotomie oder Laryngektomie und sollte individuell an die anatomischen Gegebenheiten, den Atembedarf und die spezifischen Therapieziele angepasst werden. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und regelmäßige endoskopische Überprüfungen der Trachealkanülenlage5 sind entscheidend für die Patientensicherheit. Jedes Detail der Trachealkanüle, wie Länge, Biegewinkel, Material und Funktion, muss sorgfältig bedacht werden, um die optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Ihr nun erworbenes Wissen über die Trachealkanülenauswahl wird Ihnen helfen, sich im Trachealkanülen-Dschungel zu orientieren.
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Referenzen
1. Macht M, King CJ, Wimbish T, Clark BJ, Benson AB, Burnham EL, Williams A, Moss M. Postextubation dysphagia is associated with longer hospitalization in survivors of critical illness with neurologic impairment. Crit Care. 2013;17, R119.
2. Winkelmaier U, Wüst K, Schiller S, Wallner F. Leakage of fluid in different types of tracheal tubes. Dysphagia. 2006;237-242.
3. Pozuelo-Carrascosa D, Herráiz-Adillo Á, Alvarez-Bueno A, Añón JM, Martínez-Vizcaíno V, Cavero-Redondo I (2020). Subglottic secretion drainage for preventing ventilator-associated pneumonia: an overview of systematic reviews and an updates meta-analysis. Eur Respir Rev. 2020;29(155).
4. Pandian V, Boisen SE, Mathews S, Cole T. (2019). Are fenestrated tracheostomy tube still valuable? Am J Speech Lang Pathol. 2019;28(3):1019-1028.
5. Dziewas R et al. Neurogene Dysphagie. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN (Hrsg) Leitlinien für Diagnostik und Therpaie in der Neurologie. 2020; www.dgn.org/leitlinien
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